02.12.2018
Rezension zum Buch - Menschen mit Querschnittlähmung – Lebenswege und Lebenswelten







Köpcke, Jessica Lilli, Schöning, Arne ( Hrsg. ) : Menschen mit Querschnittlähmung – Lebenswege und Lebenswelten, Verlag W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart 2018

 

Die partizipative Sozialforschung bietet den Rahmen, in dem Menschen mit Querschnittlähmung am Forschungsdiskurs beteiligt werden und somit als Experten in eigener Sache Gehör finden. Für das vorliegende Buch bedeutet dies ganz konkret, dass nach einer fachlichen Beschreibung einzelner Lebensbereiche jeweils die Geschichte der Menschen mit Querschnittlähmung in den Vordergrund tritt.

 

In einem einführenden Teil erklärt Jessica Lilli Köpke sehr gut verständlich den Begriff  der Schädigung und deren einzelne Formen - sowohl der angeborenen als auch der erworbenen.

Die Methode des Storytellings als Zugang zum partnerschaftlichen Erschließen sozialer Wirklichkeit in der partizipativen Forschung ermöglicht es, die Menschen mit Beeinträchtigung unmittelbar zu Autoren werden zu lassen, ohne dass diese das wissenschaftliche Schreiben beherrschen müssen. „ Storytelling ermöglicht einen Erfahrungsabgleich, in dem uns Situationen gezeigt werden, die wir selbst schon erlebt haben und in die wir uns hineinversetzen können.“ ( S. 32 )

Die Autorin verwendet in diesem Zusammenhang den Begriff des Stellvertreterlernens.

 

Einen weiteren Zugang bietet die visualisierte Form des Storytellings von Arne Schöning. Seine künstlerisch beeindruckenden Fotos erschließen über ihre Ästhetik dem Betrachter die Persönlichkeit der porträtierten Menschen, mit denen man gern ins Gespräch kommen möchte.

Den zweiten Teil des Buches bilden die eigentlichen biografischen Aufzeichnungen betroffener Autorinnen und Autoren. Die Gliederung in die Bereiche: Lebenswelten, Arbeitsleben, Abenteuersport, Liebe und Sexualität sowie Wahrnehmung von Querschnittlähmung strukturieren die Inhalte. Jedem dieser Abschnitte ist nochmals eine theoretische Einführung vorangestellt, welche auf gesetzliche Grundlagen und deren Intention sowie verallgemeinernd auf reale Erlebensweisen von Inklusion, Exklusion oder Stigmatisierungsprozessen verweist.

Zu jedem der aufgeführten Lebensbereiche erzählen zwei bis vier Autoren oder Autorinnen ihre Geschichte, in der Leser durch die Sicht der Betroffenen erfahren, wie Leben gestaltet wird, welche Brüche bewältigt werden, welche Widersprüche auszuhalten sind und auch,  welches Glück erlebt wird. Die außerordentliche Rolle, die der Sport dabei einnimmt, verwundert nicht.

 

Sportunfälle stehen oft am Anfang einer Verletzung, die eine Querschnittlähmung zur Folge hat. Andererseits stellt der Bereich des Sports neben der Vernetzung im Peer Support eine wesentliche Ressource für Erfolg und positives Selbsterleben dar.

 

Die Autoren aus der Sport- und Musikscene sind zum Teil prominent, deren Darstellung ist für Nichtinsider mitunter schwer nachzuvollziehen, jedoch dadurch auch authentisch. Ein spannendes und wichtiges Buch, dem eine interessierte Leserschaft zu wünschen ist.

 

 

Sybille Lenk