16.09.2024
Projekttag „Elektrochirurgie“ der Klasse OtA22 am Berufsbildungszentrum Weimar







* Zu Gunsten des Redeflusses wird im folgenden Bericht auf das Gendern verzichtet, wenngleich die Wichtigkeit des femininen Geschlechts in der Chirurgie zu betonen ist.


1920 entwickelte William T. Bovie ein Elektrochirurgiegerät, das durch Hochfrequenzstrom zur Gewebezerstörung und -koagulation führte und vom Neurochirurg Harvey Cushing erstmals in die klinische Praxis einführt wurde. Im Jahr 1928 nutze Franz Keysser die Elektrochirurgie Behandlung bösartiger Tumoren. Bis heute nimmt die Verwendung von Hochfrequenzströmen einen großen Stellenwert in der chirurgischen Versorgung von Patienten ein. Die Technik hat sich vom einfachen Elektrokauter aus dem 20. Jahrhundert zu multifunktionalen Instrumentarien entwickelt, die aus der modernen Chirurgie nicht mehr wegzudenken sind.


Am 04.09.2024 wurden wir, die Klasse OtA 22, als angehende operationstechnische Assistenten von Herrn Martin Uffinger durch einen Fachvortrag zur Elektrochirurgie geleitet. Herr Uffinger ist Training Manager der Firma „Erbe Elektromedizin GmbH“ und teilte mit uns sein Wissen rund um die Technologie und die sichere Anwendung der Elektrochirurgie. Darüber hinaus durften historische Aspekte zur Entwicklung der Instrumente und ein Exkurs in die Grundlagen der Physik nicht fehlen. Auch wenn das Verstehen physikalischer Zusammenhänge und Wirkungsweisen wahrscheinlich nicht jedermanns Stärke widerspiegelt, hörte die gesamte Klasse aufmerksam zu. Für uns Auszubildende, die im nächsten Jahr ins Berufsleben starten wollen, ist der fachgerechte Umgang mit Instrumenten, die sich dem Hochfrequenzstrom bedienen besonders wichtig, da der operative Alltag ohne diese Technik nicht mehr vorstellbar ist. Die operationstechnische Assistenz ist verpflichtet, sich mit den Geräten und deren sach- und fachgerechten Verwendung bestens auszukennen, um das Patientenwohl nicht in Gefahr zu bringen. Außerdem sind wir nicht nur „die rechte Hand“ des Chirurgen, sondern werden dazu ausgebildet selbstständig, eigenverantwortlich und sorgfältig zu arbeiten. Die Voraussetzungen dafür sind Wissen über Medizintechnik und Instrumentarium, Kenntnisse über Anatomie, Physiologie und Wirkungsweisen im Körper, sowie Individualität, Spontanität und handwerkliches Geschick bei der Durchführung verschiedenster Operationsverfahren.


Herr Uffinger machte uns während seines Fachvortrages auf Fragen aufmerksam, über die wir im meist stressigen OP-Alltag noch nie nachgedacht hatten. „Wieso ist die Elektrode nach der Verwendung nicht heiß, obwohl sie doch Gewebe zerschneidet?“, „Warum verwendet man bei der HF-Chirurgie Wechsel- statt Gleichstrom?“, „Welche Wirkung erzielt man in Abhängigkeit von Stromstärke und Spannung im Gewebe?“ und „Wie verwende ich die Modi des Gerätes situationsgerecht?“ Diese und viele weitere Fragen beantwortete uns Herr Uffinger in seinem vierstündigen Vortrag. Obwohl wir alle täglich mit den Geräten der Firma „Erbe Elektromedizin GmbH“ arbeiten und diese zur Standardausrüstung eines jeden OP-Saales gehören, konnten wir viel über die technischen Grundlagen des HF-Gerätes lernen. Praktisch relevant ist das allemal, wenn es um eine möglichst schnelle Fehlerbehebung während einer Operation geht oder zumindest, um eine lange Lebensdauer der Geräte zu garantieren.


Im zweiten Teil des Fachvortrages machte uns Herr Uffinger auf die sichere Anwendung von mono- und bipolarem Strom, sowie auf die Besonderheiten der Argon-Plasma-Koagulation aufmerksam. Ist die bipolare Koagulationspinzette mit ihren beiden Elektroden im OP-Situs, dem damit eng begrenzten bzw. definierten Bereich und der vergleichsweise geringen maximalen Betriebsstärke von 500 Volt eher handzahm, kann es bei leichtsinniger Verwendung von monopolarem Strom und Argon zu weitaus gravierenderen Schäden kommen.


Hierbei können Verbrennungen von Haut und Gewebe außerhalb des Operationsgebietes entstehen, die meist erst nach Entfernen der sterilen Abdeckung entdeckt werden.


Obwohl monopolarer Wechselstrom in der Chirurgie gewisse Gefahren birgt, ist er durch sein breites Einsatzspektrum und seine Vielseitigkeit unersetzbar. Verschiedenste thermische Effekte, wie die Dessikation, Fulguration, Koagulation und der Gewebeschnitt können mit der entsprechenden Einstellung von Stromstärke und Spannung erreicht werden. Bei Spannungen von bis zu 600 kV und Frequenzen um die 300 kHz, die auf den menschlichen Körper wirken, liegt die Frage nah, warum sich die Patienten nicht wie Zitterale auf dem OP-Tisch krümmen. Natürlich hatte Herr Uffinger auch auf diese Frage eine Antwort parat. Des Weiteren sprachen wir über die Wichtigkeit und Funktionalität der Neutralelektrode, der fachgerechten Anbringung dieser, einer sicheren und präventiven Patientenlagerung sowie möglichen Risikofaktoren und Folgen bei unsachgemäßer Verwendung.  
Viele Aufgaben, die wir Auszubildenden nun schon viele Monate im Berufsalltag immer wieder erledigen und bald schon automatisch ablaufen, haben wir an diesem Projekttag kritisch hinterfragt und einmal mehr über das „Warum?“ nachgedacht.

 

Da ein praktischer Teil im Verlauf eines klassischen Projekttages nicht fehlen darf, konnten wir selbst einmal Operateur spielen und „das Messer in die Hand nehmen“.  Mit verschiedenen Elektroden und Schlingen zerschnitten und resezierten wir Teile eines Schweinenackens. Die stumpfe Spatelelektrode glitt dabei durch das Fleisch wie eine heiße Messerklinge durch ein Stück Butter. Obwohl wir das Prozedere schon hunderte Male beobachtet hatten, war es für uns im wahrsten Sinn des Wortes „spannend“ mit solchen Kräften zu arbeiten.

 


Im Allgemeinen lässt sich sagen, dass sich die Elektrochirurgie in den vergangenen 100 Jahren bewährt und eine starke Entwicklung vom einfachen Elektrokauter zu multimodalen Geräten mit verschiedensten Anwendungsmöglichkeiten genommen hat. Durch den wesentlichen Vorteil des Schneidens mit gleichzeitiger Blutstillung und dem damit einhergehenden Gewinn von Zeit und besserer Sicht, hat die Elektrochirurgie maßgeblich dazu beigetragen, die operative Versorgung von Patienten zu revolutionieren.

 


Abschließend möchten wir, die Klasse OtA 22, uns herzlich für Ihren Besuch, Herr Uffinger, am Berufsbildungszentrum Weimar bedanken. Wir wissen Ihren Vortrag sehr zu schätzen und aufgrund der sehr interaktiven Vortragsweise hat man Ihnen, trotz der sonnig heißen Temperaturen, gern zugehört. So haben Sie uns einen sehr informativen Projekttag gestaltet, von dem wir in unserem Arbeitsalltag profitieren können.

 



Estelle-Catherin Galle
OTA 22