17.04.2024
Eine Reise in düstere ZeitenDer Tod gehört zum Leben wie das Altern selbst. Im Laufe unseres Lebens werden wir mit dem Tod und dem Sterben selbst konfrontiert. Während in Krankenhäusern um das Leben vieler gekämpft wird und die Sonne heller zu strahlen scheint, wenn ein Patient, ein Mensch voller Gedanken, Wünsche und Träume, die weißen Hallen verlässt, um sein Leben nach seinem Kampf weiterzuleben und zu genießen, kriecht die Dunkelheit in jenen Raum, in dem Ärzte und Pflegepersonal den Kampf um das Leben aufgeben mussten. Damit die OTA22 auch nach dunklen Zeiten wieder an das Licht glauben und halten kann, haben Hr. Keßler, Fr. Petereit und Fr. Schleyer eine Projektwoche zum Thema Sterben und Tod organisiert. Im Zuge dessen befassten wir uns auch mit Tod und Sterben in der Vergangenheit und bekamen die Möglichkeit das Euthanasiemuseum Bernburg zu besuchen. Am Freitag, den 12.04.24 trafen wir an der Hauptpforte der Gedenkstätte, die sich dort seit 1989 befindet, ein. Die Gedenkstätte soll an eine düstere Zeit erinnern, in der zur NS-Zeit mehr als 9000 Männer, Frauen und Kinder ermordet wurden. Prof. Dr. Robert Scholz, eigentlich Dozent an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, nahm sich an diesem besonderen Tag Zeit für uns, beantwortete unsere Fragen und erzählte uns viel zur Geschichte der Euthanasie-Anstalt. Zu Beginn des Tages war es im Raum sehr still, auf die Frage hin, welche Erwartungen wir hätten an diesen Tag, wurde es noch stiller, denn keiner der jungen Auszubildenden konnte sich vorstellen, dass hier so unfassbar viel Leid geschehen konnte, wenn wir doch tagtäglich um die Genesung unserer Patienten kämpfen. Hr. Scholz erzählte sehr respektvoll über die unfassbaren Taten, die Täter und gedachte an die Opfer selbst. Er führte uns auf eine Reise durch die Zeit, wobei immer mehr Schüler auftauten und Fragen stellten. Als wir uns nun zur Führung in den Keller begaben, wurde die Klasse erneut still. In den Kellerräumen, in dem die Morde vollzogen wurden, waren viele Teile originalgetreu. Die Kellerräume sahen sehr alt aus und zu jedem Gang verschloss eine schwere Metalltür den Durchgang. Unser erster Halt war die „Dusche“. Die Opfer, häufig Menschen mit psychischen Erkrankungen, wurden unter dem Vorwand einer Verlegung in die Anstalt gebracht und hatten die Hoffnung hier eine Behandlung und Hilfe zu erhalten. Nach dem Besuch des Arztes wurden sie dann zur „Dusche“ geführt um sich vor ihrer Behandlung zu pflegen. In dem Raum, mit Fließen gekachelt, hingen 3 Duschköpfe, doch mehr als ein Dutzend der Opfer wurden zur gleichen Zeit in den Raum gepfercht. Die Tür wurde verschlossen, die Opfer wurden ängstlich zurückgelassen, während die „Leichenbrenner“ den Gashahn im Nebenraum aufdrehten. Die Opfer, die an einer Kohlenmonoxidvergiftung starben, wurden dann im nächsten Raum seziert oder gelagert, bis sie schließlich verbrannt wurden. Die Todesursachen auf dem Totenschein wurden frei erfunden und die Familie der gequälten Menschen erfuhren meist erst Jahre später, nach Schließung der Anstalt im Jahre 1943, die Wahrheit. Eine Wahrheit, die so abstrus sein sollte. Die Wahrheit, dass Ärzte und Pflegepersonal hier Menschen, Kinder, Mütter, Ehefrauen, den Ehemann, den Bruder getötet haben. Im nächsten Raum standen vor all diesen Jahren die Verbrennungsöfen, heute stehen dort Kerzen, um zu zeigen, dass wir die Opfer nicht vergessen haben. Auch an den Wänden soll den Opfern, durch ihre Bilder, gedacht werden. Vor allem hier wurde uns bewusst, was für ein Verlust diese Anstalt war. Von der Wand aus schaute mich eine junge Frau an, ihre Augen voller Leben. Ich malte mir aus, was sie wohl für ein Leben hätte führen können, wenn sie tatsächlich die Hilfe, die ihr zustand, erhalten hätte. Nachdem wir uns im Konferenzraum mit den Eindrücken in den Kellerräumen auseinandergesetzt haben, verließen wir Herrn Scholz.
Verlassen haben wir die Gedenkstätte mit der Gewissheit, dass wir es besser machen werden und niemals vergessen, was unser Einsatz bewirken kann. Den Tag, die Führung, aber vor allem die Opfer werden wir nicht mehr vergessen und hoffen, dass sich auch ihre Angehörigen wieder dem Licht zuwenden konnten.
Vanessa Fliedner, OTA22 |